Wald als Rückversicherung für Gotteshaus

Bericht: Südkurier, 03. August 2006

Wald als Rückversicherung für Gotteshaus

Erstmalige Erwähnung der Kapelle 1501 im Walder Urbar

Rengetsweiler – Als am Sonntag, 23. April 1961, der Freiburger Weihbischof Karl Gnädinger in Rengetsweiler die neu erbaute Kirche zu Ehren der heiligen Kunigunde mit einem Hochamt einweihte, wurde ein 100 Jahre alter frommer Sehnsuchtstraum zum großen Glückstag. Am frühen Morgen wurde der Ehrengast vom Bürgermeister und den Einwohnern am oberen Ortseingang begrüßt, um ihn in einer Prozession zur
Kirche zu geleiten, die Musikkapelle spielte auf und der Gesangverein sang seine schönsten Lieder.

Die nur wenige Schritte von der neuen Kirche weg stehende, aus dem 16. Jahrhundert stammende Kapelle hatte da altershalber ausgedient, die im Jahr 1480 geschaffene gotische Figur der Heiligen ruhte bereits am neuen Platz. Bei allen Anstrengungen zum Kirchenbau und der Schenkung eines Grundstücks für ein Pfarrhaus war klar: An der kirchenrechtlichen Ordnung war nicht zu rütteln, Rengetsweiler bleibt Filial von
Dietershofen.

Von dort war das Vorhaben immer kritisch verfolgt worden, vieles war zu verlieren. Im Gefühl, ausgebootet zu werden, sah der Pfarrgemeinderat Dietershofen dann auch keinen Grund, sich an dem Bauvorhaben zu beteiligen. Eine im Pfarrarchiv Dietershofen liegende Vereinbarung beschreibt einen etwaigen Orgelkauf, der sei allein Sache der Rengetsweiler. Bei einem Kauf gehöre die solange dem Orgelbauverein, bis sie vollständig bezahlt sei, danach werde sie der Pfarrei Dietershofen – Filialkirche Rengetsweiler übereignet. Dank großer Opferbereitschaft wurde 1977 eine Orgel für 62000 Mark gekauft.

Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gab es erstmals Forderungen zu einem Kirchenbau, berichtet der Rengetsweiler Otto Böhler. Er gehörte zu den Befürwortern des
Kirchenbaus, war Vorsitzender des Orgelbauvereins. Mit der Neubesinnung nach dem zweiten Weltkrieg sei die Kapelle zu klein geworden. Nach langen Gesprächen mit der
Kirchengemeinde Dietershofen kam es zum Jahresende 1959 zu einer Einigung, die Kirchengemeinde Dietershofen erhielt die Genehmigung zur Erstellung einer Kirche in Rengetsweiler. Mit der Einweihung werde der Sonntagsgottesdienst wechselseitig in Dietershofen und in Rengetsweiler abgehalten.


Die im 16. Jahrhundert
erbaute Kapelle St. Kunigunde von Rengetsweiler machte
1961 Platz für eine größere Kirche. Bild: Hahn


Über drei Kriege hinweg mit zweimaligem Verlust von angesparten Geldern durch Inflation und Währungsreformen ließen die Rengetsweiler ihr Ziel für diesen die Kapelle weit überragenden Kirchenbau nicht aus den Augen. Als Schutzbrief diente immer ihr ganzer Stolz, der 500 Morgen große Gemeindewald, die Rückversicherung
in fast geldlosen Zeiten. Der reiche Waldbesitz wirkte hinaus in das hohenzollerische Dörferumfeld der baumlosen Habenichtse. Die wiederum meinten spöttisch, die Rengetsweiler würden ihren Wald bei allen Gelegenheiten wie einen Heiligen vor sich
hertragen. Geschichtliches mag da auch hinein wirken, dazu zählt die Entlassung von Rengetsweiler aus der Herrschaft Kloster Wald von 1701 an den Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen. Daraus erwuchs ein Gefühl Selbständigkeit.

Erstmals als „Kilchly“ erwähnt wird die Kapelle 1501 im Walder Urbar. Beim Blättern durch seine Akten liest Böhler in Rechnungen des Spitals Pfullendorf, dass es 1691 und im folgenden Jahr eine Wallfahrt zur Heiligen nach Rengetsweiler gegeben habe. Jahre später schickte das Spital zum 24. April Opfergelder, 1718 und 1919 wieder Wallfahrer.

Falko Hahn, Südkurier Meßkirch, 03.08.2006

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